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Das Kamel muss durchs Nadelöhr

Achtung dies ist kein Reisebericht!

· THOUGHTS OF THE DAY

Es gibt Zeiten im Leben, die der Besteigung des Mount Everest gleichen, nur ohne den Reiz der Ferne und des exotischen Abenteuers. Sie sind einfach nur herausfordernd, ernüchternd und erschöpfend. Etwas was immer selbstverständlich erschien, droht plötzlich wegzubrechen und wenn man anfängt, sich mit der Vergänglichkeit zu beschäftigen, macht das erstmal riesen Angst. Natürlich hat man im Prinzip lange genug Zeit gehabt sich darauf vorzubereiten, aber wenn ein geliebter Mensch auf der Zielgeraden angekommen ist, kommt das dennoch überraschend und immer viel zu früh. Man fühlt sich hilflos, heillos überfordert und ausgeliefert. Selbst altbewährte Hilfs- und Kompensationsmittelchen greifen da nicht mehr. Die Flasche Wein am Abend macht es eher nur noch schlimmer und sich ab und zu mal richtig auszuheulen tut sicher gut, auf Dauer hat man dann aber ständig verquollene Augen und mag irgendwann gar nicht mehr in den Spiegel schauen. Sich abzulenken gibt vielleicht dem Moment etwas Leichtes wird aber der Schwere des Zustands nicht gerecht außerdem ist man eh zu erschöpft für irgendwelche Aktionen und fällt meist früh am Abend ins Bett und ist froh mittels eines Schlaftees ein wenig Ruhe zu finden, bis das Gedankenkarussel am frühen Morgen wieder anspringt.

Wie man es also dreht und wendet man steckt in der Zwickmühle der "Spiel"raum verkleinert sich, man fühlt sich ausgeliefert und wenn die Prognosen schlecht sind und man die Wahl hat zwischen Pest und Cholera erscheint plötzlich alles aussichtslos. Dann versucht man der Lage wieder Herr zu werden und je mehr man gestrickt ist wie ich, schreit Mars Saturn im Hintergrund, "los, los, alles ist möglich". Das Ego will siegen, und man leidet, bis man aufgibt. Und das meine ich nicht im fatalistischen Sinn aber es gibt nun mal Situationen da hilft kein Widerstand, ganz im Gegenteil je mehr man sich sträubt desto schlimmer wird es. Man versucht die Dinge zu kontrollieren, von denen man befürchtet, dass sie einem sonst durch die Finger rinnen. Es hilft auch nicht zu verhärten, um die Sache irgendwie durchzustehen. Auf Biegen und Brechen wird es nicht klappen. Eigentlich hilft nur eins, nämlich ganz im Gegenteil, seine feste Form zu verlassen. Im englischen heisst es "surrender" und gleicht mehr einem sich ergeben, letztlich sich stellen.

Manchmal führt der Weg eben einfach nicht dran vorbei, sondern nur mittendurch.

Es gilt die Situation anzunehmen, sich durch die Enge hindurchzuatmen und sich weich und biegsam zu machen, sich vollständig hinzugeben und sich den Stromschnellen anzupassen, damit das Wasser weiter fliessen kann und der Damm nicht bricht. Es geht mehr darum zu fühlen was passiert, anstatt es zu verstehen. Im Zweifelsfall einen Schritt zurück zu machen, die Geschwindigkeit rauszunehmen, immer mehr loszulassen anstatt zu versuchen die Kontrolle zu behalten.

Wie in allen schweren Lebenslagen, empfehle ich einen Spaziergang durch den Wald, eine warme Badewanne, eine Yogastunde und was einem sonst noch so gut tut. Am Besten das Naheliegende, wenn die Reise in die Ferne im Moment erstmal hinten angestellt werden muss. Es hilft wenn alles sein darf, anstatt unterdrückt zu werden. Denn Trauer und Traurigkeit sind essentielle Bestandteile des Lebens. Und es ist keine Schwäche sie zuzulassen sondern braucht im Gegenteil viel Stärke. Gerade in einer Zeit und Gesellschaft wie unserer, in der es immer darum geht zu funktionieren und wir darauf getrimmt sind, selbst im größten Übel noch das Positive zu sehen. Aber manchmal kann man das Blatt nicht mehr wenden und wenn man dann so traurig ist, dass man nicht weiß, wie es morgen weiter gehen soll, dann gilt es zunächst immer nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ein- und Ausatmen, wenn die Welle der Angst einen droht hinwegzuspülen. Das Gayatri Mantra gesungen von Hein Braat hören, solange bis es ruhiger wird. Und wenn scheinbar mal gar nichts mehr geht, legt man sich am Besten auf den Boden, spannt den ganzen Körper so fest an, wie man nur kann und lässt dann, wenn man unbedingt wieder atmen muss, in Zeitlupe wieder los. Man gibt alles an den Boden ab und lässt sich von der Erde tragen im Vertrauen darauf, dass man gehalten wird und mit der Zuversicht das auch wieder bessere Zeiten kommen.

Und wenn man es schafft sich wirklich hinzugeben, und man sich durch die kleine Öffnung gewunden hat, eröffnen sich hoffentlich irgendwann auch wieder neue Perspektiven am Horizont...